Fronleichnam evangelisch
Berggottesdienst zur Eröffnung der Sommersaison 2022 auf dem Fellhorn
mit dem Posaunenchor des CVJM aus Dettingen an der Erm
Mit Jesus um die Häuser ziehen
Ach, wie schön ist es, zu leben und Gottes Kind zu sein! Liebes Bergvolk, das ist ein rechter Feiertag. Es gibt so viel zu feiern, dass ich kaum weiß, wo anfangen!
Der erste Berggottesdienst dieser Sommersaison. Die Wasserratten, die die Badesaison eröffnen, nennen ihren mutigen Vorstoß in die frischen Fluten „Anbaden“. Wir nennen unsere Annäherung an den Himmel „An-Himmeln“. Gott nahe zu sein, ist mein Glück! Und damit sind wir schon beim zweiten Feiergrund dieses Tages. Wir grüßen alle, die heute an Fronleichnam Christus anhimmeln. Endlich sind wieder Prozessionen möglich. Auch in Oberstdorf.
Anders, als der Name vermuten lässt, ist Fronleichnam ein Fest der Freude. Der Begriff entstammt dem Mittelhochdeutschen: »Fron« bedeutet »Herr«, »lichnam« heißt »Leib«. Es geht bei diesem Fest um den Leib des Herrn Jesus Christus, der in der Abendmahlsfeier, der Eucharistie, mitten unterm Volk ist. Für Katholiken buchstäblich in aller Munde. Für Protestanten steckt eine schwer verdauliche Theologie dahinter. Im Neuen Testament sagt Jesus beim Abendmahl über Brot und Wein: „Dies ist mein Leib. Dies ist mein Blut.“ Diese Sätze deutet das katholische Dogma so: Brot und Wein wandeln sich bei jeder Feier der Eucharistie wirklich in den Leib und das Blut Christi. Sie sind nicht mehr Brot und Wein, sondern Leib und Blut Christi. In echt.
Und sie bleiben es nach dieser Vorstellung auch, wenn die Messe zu Ende ist. Darum trinkt der katholische Priester den Abendmahlswein bis zum letzten Tropfen und wischt den Kelch aus, damit kein Blut Christi verschüttet wird. An Fronleichnam wird die gewandelte Hostie als der Leib Christi unter einem himmelsgleichen Baldachin durch die Straßen getragen. Angehimmelt wird Christus.
Martin Luther hatte für Fronleichnam kein gutes Wort übrig. Er schrieb sehr deftig: „Ich bin keinem Fest mehr feind als diesem. Denn da tut man alle Schmach dem heiligen Sakrament, dass man’s nur zum Schauspiel umträgt und eitel Abgötterei damit treibet.“ Kein Wunder, dass Protestanten und Katholiken sich ihre Feiertage madig machten. Man erzählt, am Karfreitag, den manche Katholiken für einen rein evangelischen Feiertag hielten, klopften Katholiken mit Karacho Teppiche. Dafür hätten sich Protestanten an Fronleichnam mit dem Beschütten der Felder revangiert. Beides nicht nett. Aber darüber sind wir heute hinweg. Denn auch wenn ich als Protestant wirklich nicht glaube, dass sich Brot und Wein in Fleisch und Blut wandeln, so sehr eint mich mit meinen katholischen Schwestern und Brüdern die Sehnsucht, mit Christus verbunden zu sein. Das geschieht für mich auch im Abendmahl. In einem Stück Brot. Aber nicht nur. Es geschieht auch in einem Wort, das mich berührt, meine Seele verwandelt.
In Emmaus war das so. Ein Stück Brot. Ein Wort. Und die Trauer weicht der Freude. Weil die beiden Jünger mit Christus verbunden sind, ob er jetzt leibhaftig da ist oder ihren Geist bewegt. Mit Christus verbunden laufen sie los. Ziehen um die Häuser. Christus ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden! Diese Geschichte ist so schön. Ich liebe sie seit Kindertagen. Sie stillt meinen kindlichen Glauben. Christus ist einfach da. Ich kann die Begegnung mit ihm nicht erzwingen. Christus ist einfach da, in einfachsten Gesten und Worten. Und das Herz, das Christus verloren glaubte, brannte. Mit einem Bissen, mit einem Wort ist alles wieder da. Und darum gefällt mir auch der sorgsame Umgang meiner katholischen Pfarrerskollegen mit Brot und Wein. Es ist der Hinweis, auf Christus gut aufzupassen, ihn nicht achtlos zu entsorgen. Du und ich, diese Welt braucht es lebensnotwendig mit Christus verbunden zu sein. Ihm nahe zu sein ist mein Glück und das Glück der anderen.
Unsere katholischen Glaubensgeschwister können diese Verbindung so herrlich sinnenfällig zeigen. In den Straßen sind Blumenteppiche für Christus ausgelegt. Nicht nur ein Zeichen der Freude und Ehrerbietung. Für mich ist diese Blumenpracht ein Ausdruck meiner Hoffnung: wo Christus hinkommt, wo Menschen sich mit Christus verbinden und mit ihm um die Häuser ziehen, da wird es bunt, da blühen Menschen auf. In einem Interview sagte gestern einer: »Wir tragen Jesus Christus durch unsere Straßen, weil dort der Platz ist, wo er heute noch lebt und wirkt«. So in etwa hat auch der Beter des 73. Psalms gedacht. Sein „Gott nahe zu sein, ist mein Glück“ klingt so glaubenssonnig. Obwohl er nicht glücklich ist, in der Welt nichts erreicht, während die Gottlosen scheinbar alle Freuden der Erde genießen. „Sie brüsten sich wie ein fetter Wanst“, sagt der Beter. „Sie tun, was ihnen einfällt. Sie achten alles für nichts und reden böse, sie reden und lästern hoch her.“ Sie belügen und betrügen und verstoßen gegen Gottes Gebote für ein gutes Zusammenleben aller Menschen und das Volk läuft ihnen hinterher. Der Betende macht nicht mit und geht baden.
Die Nähe zu Gott – sie ist nicht glückskleegrün oder rosarot. Sie kann auch dunkelrot wie das Blut sein oder schwarz wie die Trauer. Die Trauer darüber, dass die Welt noch so unerlöst ist. Dass noch nicht alles gut ist. Dass noch immer die Lügner und Betrüger, Mörder und Folterer mit grinsendem Gesicht ihre Verbrechen ausüben und sich den Völkern als Heilsbringer verkaufen.
Gott nahe zu sein ist mein Glück. Dieses Glück muss unter die Völker. Darum, liebes Bergvolk, lasst uns mit Christus um die Häuser ziehen. Nicht leise, sondern am besten mit dem satten Sound der Trompeten, Posaunen, Hörner und Tuben.
Dieses Blech vom CVJM aus Dettingen an der Erms tut das schon seit 125 Jahren. Also nicht diese leibhaftig, versteht sich. Am 2. Juli geben sie ihr Jubiläumskonzert und proben an diesem Wochenende eifrig dafür. Und bei uns schon mal den Ernstfall.
Musik ist ein solch herrlicher Weg sich mit Christus zu verbinden. Gemeinsame Sache mit und für Christus machen. Ein Geist. Ein Atem. Ein Rhythmus. Und dann zur Ehre Gottes tönen. Seit 1897 tun das die Dettinger, das stelle man sich mal vor. Das spricht für eure Gemeinschaft. Das Bläsergen wird weitergegeben, der lange Atem auch.
So soll es für alle sein, die sich mit Christus verbinden. Leben und tönen, dass es ein Glück ist, mit Christus Gott nahe zu sein. Amen.