Mehr Liebesbriefe

Mehr Liebesbriefe

Evang.-Luth. Christuskirche Oberstdorf
1. Sonntag nach Weihnachten
31. Dezember 2023

Text: Johannes 12, 44-50 (BasisBibel)

Jesus spricht: »Wer an mich glaubt, glaubt nicht an mich, sondern an den, der mich beauftragt hat.
Und wer mich sieht, sieht den, der mich beauftragt hat!
Ich bin als Licht in die Welt gekommen,
damit jeder, der an mich glaubt,
nicht in der Finsternis bleibt.
Was ich gesagt habe, stammt nicht von mir selbst.
Der Vater, der mich beauftragt hat,
hat mir befohlen, was ich sagen und reden soll.
Und ich weiß:
Das, was er mir aufgetragen hat,
schenkt euch das ewige Leben. Darum gilt:
Was ich euch sage,
sage ich genau so weiter,
wie es der Vater mir
gesagt hat.«

Die Welt braucht mehr Liebesbriefe. Das sage ich ausgerechnet nach Weihnachten und einer stattlichen Anzahl an Grußbotschaften zum Fest der Liebe: per Post, mail, e-card, whatsapp, als Beipackzettel in einem Amazon-Paket. Briefe handgeschrieben, gedruckt, gebastelt. Alle Absender haben mehr oder weniger Zeit investiert für ihre Grüße.

Und trotzdem braucht es mehr Liebesbriefe. Nicht nur zum Fest der Feste. Ich habe echt gestaunt, dass es sogar eine weltweite Liebesbrief-community gibt. Und das kam so.

Die Gründerin von „More Love Letters“ Hannah Brencher studierte einst fern ihrer Heimat in New York. Und ging beinahe ein wie ne Primel so allein in Big Apple. Was ihr half, war das Schreiben. Schreiben lindert Schwermut. Als Hannah in der U-Bahn eine traurige Frau sah, fasste sie einen Entschluss. Sie schrieb dieser Frau einen Brief. Leider stieg die aus, bevor der Brief fertig war.

Aber die Idee war geboren: Briefe voller Wohlgefallen an Menschen, die sie nicht kennt. Hannah hinterließ ihre Ermutigungen überall in Cafés, Bibliotheken und an anderen öffentlichen Orten kreuz und quer in New York.

Eine zauberhafte Idee. Der sich immer mehr anschlossen – rund um den Erdball. Die Schreiber*innen der Love Letters wollen andere Menschen daran erinnern, dass sie gesehen werden, wie sie sind. Und dass sie wichtig sind, so wie sie sind.
Das wollen die Mitglieder der Community zeigen mit ihren Briefen. Die sind ja so was von Retro. Echte Schneckenpost. Im Vergleich zu den Wegen der sozialen Medien.

Sozial, finden die Schriftstellerinnen und Schriftsteller, ist es, präsent zu sein. Einfach leibhaftig da sein für jemanden. Oder sich bewusst hinsetzen, sich ein Herz fassen, sich einen Kopf machen, Worte finden und mit der Hand aufschreiben.

Die Welt braucht keine weitere App oder Social-Media-Plattform. Was es braucht, ist einfacher und grundlegender, aber viel schwieriger zu kultivieren. Es braucht mehr Liebe. Mehr absichtliche Freundlichkeit.

Die Welt braucht mehr Liebesbriefe. Ich finde ja, das ist ein frommer Wunsch. Weil er Licht ins Dunkel bringt. So wie Jesus. Die himmelischte Liebesbotschaft seit Anbeginn der Welt.

Und wie Gottes Licht in die Welt gekommen ist, das ist so herrlich langsam wie ein Brief im Postversand. Die Ankündigung der Geburt an Maria, ihr Gang zu Elisabeth, die Schwangerschaft, die Engel auf dem Felde, der Aufbruch der Hirten – das dauert. Aber gut Ding will Weile haben. Und ein stimmiges Lichtkonzept will gut durchdacht sein. Der Stern und die alles umleuchtende Klarheit des Himmlischen gehören zur Grundausstattung. Das ist ganz großes Kino.

Wie das ganze Leben Jesu, Gottes Lichtwort. Für das Volk, das im Finstern wandelt. Damit es da rauskommt. Und selber Licht wird. Das erzählen die Evangelisten zwar alles im Zeitraffer und trotzdem gibt es Szenen in Zeitlupe. Momente für die Ewigkeit: wenn Jesus berührt, weil er einfach da ist. Zeit hat. Mit einem guten Wort. Einer Idee. Mit Geduld und Spucke.

Die Evangelisten erzählen von diesem einen und seinem großen Wagemut, der Welt Licht zu schenken, damit weniger Finsternis ist. Ohne zu wissen, ob das Licht wirken wird. Nur mit der Mision: mit Licht ist es weniger finster.

Licht schenken ist mutig. Lieben ist mutig. Sie ist sogar ein Wunder, schreibt der Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt am Ende deiner Satire Grieche sucht Griechin: „Die Liebe ist ein Wunder, das ist immer möglich. Das Böse ist eine Tatsache, die immer vorhanden ist. (…) Die Welt ist schrecklich und sinnlos. Die Hoffnung, ein Sinn sei hinter all dem Unsinn, hinter all diesen Schrecken, vermögen nur jene zu bewahren, die dennoch lieben.“

Dennoch lieben. Das ist originell. Und kühn in einer Welt, von der die Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner vor ungefähr 150 Jahren gesagt hat: Rache und immer wieder Rache! . . . Keinem vernünftigen Menschen wird es einfallen, Tintenflecken mit Tinte, Ölflecken mit Öl wegputzen zu wollen — nur Blut, das soll immer wieder mit Blut ausgewaschen werden!“

Finsternis lässt sich nicht durch Finsternis vertreiben. Einer muss anfangen, das Licht anzumachen. Und wenn es nur ein kleines Licht ist. Es ist immerhin ein Licht. Und es verändert alles. In diesem Kleinen ist das große Licht sichtbar. So wie Jesus sagt, dass in allem, was er sagt, der Himmlische zu hören ist. Und in allem, was er tut, der Himmlische zu sehen ist. Und jeden Menschen, den Jesus ansieht, sieht er mit Gottes Augen an.

Nur die Liebe zum Leben macht Licht an in der Finsternis. Und mit Jesus hat Gott ein Licht in die Finsternis gestellt. Und die Furcht der Menschen aufgemischt mit hellem Ton. Und das Zittern von den bangen Herzen genommen.

Die Welt braucht mehr Liebesbriefe. Mehr Liebe. Mehr Licht. Die LoveLetter-Community hat sich auf ihre Lampen geschrieben: Wir versuchen, die Veränderung zu sein, die wir in der Welt sehen wollen. Mir gefällt das. Und mir gefällt, das ich in dem Wenigen, was ich vielleicht ausrichten kann, am Großen arbeite. Und den Himmlischen durchscheinen lasse.

Die Welt braucht mehr Liebesbriefe. Und der Briefeschreiber vor dem Herrn, Paulus traut uns das zu. Er nennt die Christ*innen Brief Christi, nicht geschrieben mit Tinte, sondern mit dem Geist Gottes.

Und was ist deine Botschaft? Wie klingt Freundlichkeit für dich?

Der Andere Advent hatte da am vergangenen Mittwoch ein paar prima Vorschläge:
Ich habe noch Restparkzeit. Möchten Sie meinen Schein?
Soll ich dir was mitbringen?
Kaffee ans Bett?
Ich bleibe bei dir, bis du aufwachst nach der Operation.
Welche Musik möchtest du hören?
Gehen Sie doch vor mir zur Kasse mit den zwei Sachen.

Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Also ab die Post. Amen.

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