Murphy

Murphy

Murphy ist ein Engel. Wir kennen uns schon lange. Sind aber nicht dicke Freunde. Denn Murphy hat nur ein Gesetz: Er erscheint immer, wenn es nicht passt! Wenn es pressiert, schlägt Murphys Stunde. Er lässt schiefgehen, was schiefgehen kann.
Murphy ist die Semmel, die immer auf die Marmeladenseite fällt. Immer!
Murphy ist Herr Krause aus dem Parterre, der mir immer auflauert, mich an die Hausordnung erinnert – und das richtige Trennen meines Mülls.
Murphy ist der Kunde, der zwei vor zwölf in der Metzgerei noch 30 Gramm Salami hauchdünn aufgeschnitten bekommen haben möchte, obwohl die Maschine schon geputzt ist.
Murphy ist die Schranke am Bahnübergang, die mir in Oberstdorf an einem einzigen Vormittag sechs Mal – SECHS MAL !!! – den Weg versperrt.
Murphy ist das eine Ei, das für den Plätzchenteig fehlt. Und die Läden sind schon zu.

Murphy nervt wirklich. Und wenn es manchmal nicht wirklich zum Heulen wäre, könnte ich ja drüber lachen. Aber leider überwiegt das Heulen. Über meinen Zeitplan, den ich in die Tonne treten kann. Über meine Schusseligkeit. Über meine schlechte Vorratswirtschaft. Über den Kopierer, den ich schon seit Ewigkeiten warten lassen will.

Ich geb´s zu. Ich bin selber Schuld. Wäre ich bei Sinnen, müsste Murphy nicht erscheinen. Aber er erscheint eben. Er piekst mich. Stößt mich. Hält mich auf. Und das nervt. Es geht mir auf die Nerven, wenn ich meine Pläne ändern muss. Es kränkt mich, dass ich Tante Margot zum Kaffeebesuch nur vier meiner Plätzchen-Kreationen kredenzen kann. Und alles nur wegen des einen Eis. Es quält mich, im Dunkeln durchs Treppenhaus zu gehen, damit Herr Krause mich nicht bemerkt. Es kostet mich Zeit und Kraft, meinen Hof schwarz zu räumen. Ich könnte ja auch einfach eine hübsche feste Schneedecke entstehen lassen. Ich tue mich so schwer, mich mit dem zu arrangieren, was nicht geht. Einfach sein zu lassen, was nicht geht. Und nicht zu hadern. Das einzige, was mich tröstet: es ist mittlerweile wissenschaftlich erforscht, warum die Semmel immer auf die Marmeladenseite fällt. Aber das ist eine andere Geschichte.

Murphy nervt. Und er stört. Er stört meinen Frieden. Also diesen Zustand, an dem alles seine Ordnung hat, wie ich glaube. Und gar nicht merke, wie ich von Besinnung zu Besinnung hetze. Wie ich mir meinen Selbstwert über zig Plätzchensorten erbacke. Wie ich über mein Zeitkorsett so freudlos geworden bin.

Murphy nervt. Und er stöbert meinen Frieden auf. Murphy zwingt mich zum flirt mit der Fülle meiner Möglichkeiten. Das Leben könnte ja auch ganz anders sein. Mit Herrn Krause zum Beispiel. Ein sixpack Bier unterm Arm und miteinander philosophieren über blaue, gelbe, grüne und rote Tonnen. Und wie er den Hausflur so porentief rein bekommt. Das wäre ja schon mal ein Anfang.

Murphy ist ein Engel. Er mutet mir ein anderes Leben zu. Ich weiß nicht, ob ich so leicht in andere Pläne einwilligen kann. Ich bin da eher behäbig. Ich wünschte, ich könnte zu einem neuen Plan leichten Herzens Ja sagen. So wie Maria. Der Engel Gabriel hat ihr in bester Murphy-Manier vorgeschlagen: ich hätte da noch was anderes als Hausfrau, was nicht zu verachten ist. Freilich nicht. Aber ich hätte da noch eine exklusive Mission für dich. Du könntest, also nur wenn du es willst, Gottesmutter werden. Also Mutter von Gottes Sohn. So ganz aus Fleisch und Blut. Geboren von dir. Fürchte dich nicht.

Nicht auszudenken, Maria hätte Nein gesagt. Ich weiß nicht, ob Gabriel dann zu einer Kandidatin Nr. 2 gezogen wäre. Und, was wenn nicht? Dann gäbe es keine „Stille Nacht“, kein Wichteln und keinen holden Knaben mit lockigem Haar. Sternsinger würden nicht mein Haus segnen. Und Christrosen wären belanglose Wintergewächse. Die Pfarrer hätten frei und die Kirchen blieben leer. Und jeder Tag wäre wie der vergangene. Und morgen wär wie heute. Zum Fürchten!

Maria hat Ja gesagt. Gott sei Dank. Sie hat Gott eine neue Welt eröffnet.

Nun hat mich nicht der Erzengel Gabriel persönlich aufgesucht. Murphy muss es bei mir richten. Nicht so zart wie der Chefengel. Eher plump. Aber deutlich. Seine Botschaft: Nur Mut. Lass ab. Lass sein. Lass los. Sag Ja. Fürchte dich nicht. Zur Hölle mit der Furcht. Der Himmel auf Erden will erobert werden!

Einen mutigen Advent und eine riesige Portion Gelassenheit, wenn sie Murphy begegnen, wünscht Ihnen Ihr  Roland Sievers, evangelischer Pfarrer

Murphy ist ein Engel. Wir kennen uns schon lange. Sind aber nicht dicke Freunde. Denn Murphy hat nur ein Gesetz: Er erscheint immer, wenn es nicht passt! Wenn es pressiert. Dann lässt er schiefgehen, was schiefgehen kann.
Murphy ist die Semmel, die immer auf die Marmeladenseite fällt. Immer!
Murphy ist Herr Krause aus dem Parterre, der mir immer auflauert, mich an die Hausordnung erinnert – und das richtige Trennen meines Mülls.
Murphy ist die Schranke am Bahnübergang, die mir in Oberstdorf an einem einzigen Vormittag sechs Mal – SECHS MAL !!! – den Weg versperrt.
Murphy ist das eine Ei, das für den Plätzchenteig fehlt. Und die Läden sind schon zu.

Ich geb´s zu. Ich bin selber Schuld. Wäre ich bei Sinnen, würde ich besser planen, bräuchte ich keinen Engel. Aber die Lage ist ernst. Und darum erscheint Murphy. Er piekst mich. Stößt mich. Hält mich auf.
Es kränkt mich, dass ich Tante Margot zum Kaffeebesuch nur vier meiner Plätzchen-Kreationen kredenzen kann. Und alles nur wegen des einen Eis.
Es quält mich, im Dunkeln durchs Treppenhaus zu gehen, damit Herr Krause mich nicht bemerkt.
Es geht mir auf die Nerven, wenn ich meine Pläne ändern muss. Ich tue mich so schwer, mich mit dem zu arrangieren, was nicht geht. Einfach sein zu lassen, was nicht geht. Und nicht zu hadern.

Murphy stöbert meinen Frieden auf. Lässt mich nicht in Ruhe. Als ob ich die hätte: ich hetze im Advent von Besinnung zu Besinnung. Meinen Selbstwert erbacke über zig Plätzchensorten. Ich umgehe Menschen wie Herrn Krause, spiele freudlos Versteck. Murphy zwingt mich zum flirt mit der Fülle meiner Möglichkeiten. Das Leben könnte ja auch ganz anders sein. Mit Herrn Krause zum Beispiel. Ein Sixpack Bier unterm Arm und miteinander philosophieren über blaue, gelbe, grüne und rote Tonnen. Und wie er den Hausflur so sauber bekommt. Das wäre ja schon mal ein Anfang.

Murphy ist ein Engel. Er mutet mir ein anderes Leben zu. Ich weiß nicht, ob ich so leicht in andere Pläne einwilligen kann. Ich bin da eher behäbig. Ich wünschte, ich könnte zu einem neuen Plan leichten Herzens Ja sagen. So wie Maria. Der Engel Gabriel hat ihr in bester Murphy-Manier vorgeschlagen: ich hätte da noch was anderes als Hausfrau, was ja ehrenwert ist. Aber ich hätte da noch eine exklusive Mission für dich. Du könntest, also nur wenn du es willst, Gottesmutter werden. Also Mutter von Gottes Sohn. So ganz aus Fleisch und Blut. Geboren von dir. Fürchte dich nicht!

Nicht auszudenken, Maria hätte Nein gesagt. Weil ihr dieser Lebensentwurf nicht in den Kram passt. Dann gäbe es keinen holden Knaben mit lockigem Haar. Und deshalb auch keine „Stille Nacht“. Sternsinger würden nicht mein Haus segnen. Die Pfarrer hätten frei und die Kirchen blieben leer. Und jeder Tag wäre wie der vergangene. Und morgen wär wie heute. Zum Fürchten!

Maria hat aber Ja gesagt. Gott sei Dank. Sie hat Gott eine neue Welt eröffnet. Und mir auch. Mein Engel Murphy spricht nicht so zart mit mir wie der Gabriel mit Maria. Eher plump. Aber deutlich. Seine Botschaft: Lass ab. Lass sein. Lass los. Nur Mut. Sag Ja. Fürchte dich nicht. Zur Hölle mit der Furcht.

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