Kaiserschmarrn

Kaiserschmarrn

Liebe Gemeinde!

Heut gibt´s Kaiserschmarrn. Das gehört doch zum Berg, oder? Zum Berg wohl, aber doch nicht zum Berggottesdienst. Nicht mal, wenn der auf der Terrasse des Bergrestaurants stattfindet. Weil: Kaiserschmarrn kommt doch in der Bibel nicht vor.

Und sein Geruch, wenn wir im Restaurant Berggottesdienst feiern, ist der Konzentration und Kontemplation doch eher abträglich.

Kaiserschmarrn sollte im Gottesdienst besser nicht vorkommen, aber Pfannkuchen. Den kennen wir zwar auch nicht aus der Bibel, aber in einer frommen Legende unserer Kirchengeschichte. Da bekommt der Pfannkuchen endlich die Bedeutung, die ihm in Wahrheit zusteht.

Die berühmte Glaubenslehrerin und Mystikerin, Teresa von Ávila (1515–1582), steht nämlich einmal in der Klosterküche am Herd. Sie bäckt Pfannkuchen aus, süß oder speckig – ich weiß nicht. Da kommen Nonnen und beklagen sich, dass sie zu wenig Zeit zum Meditieren hätten. Sie wollen sich zurückziehen, um sich innerlich dem Himmel entgegenzuwerfen und sie verlangten dafür mehr heilige Zeiten und mehr heilige Räume, bitte! Wie und wo soll man sonst zu Gott finden?

Mit hochgekrempelten Ärmeln am Herd ist keine heilige Zeit, kein heiliger Ort.

Teresa wirft einen Pfannkuchen aus der Pfanne in die Höhe, um ihn zu wenden. Sie sagt: „Wer nicht fähig ist, Gott zwischen Hochwerfen und Auffangen eines Pfannkuchens zu erfahren, der erfährt ihn überhaupt nicht.“ Hoch saust der Pfannkuchen, klatschend landet er wieder in der Pfanne.

Sollte sich Gott wirklich so auf Erden zeigen? In einer Küche? Selbst die unendliche Weite des Himmels kann Gott nicht fassen! Weiß Salomo. Und dann steckt er zwischen Aufsteigen und Niederfallen eines Pfannkuchens?

Ich kann die Nonnen in der Klosterküche ja verstehen. Der Mensch will Auszeiten von der Alltagsarbeit und besondere Orte, an denen er einfach nur sitzen kann, still sein, beten oder über die Welt da drunten/draußen nachdenken. Viele tun das. Sonntage eignen sich gut, Mittwoche auch. Kirchen eignen sich gut, Gottesdienste auch im Freien auch. Sie sind Zeichen in Raum und Zeit. Zeichen, die trösten in einer trostlosen Welt, die ordnen, was durcheinandergeraten ist, die von der geschenkten Gnade Gottes reden, wo alles teurer wird, die unter der Weite des Himmels von der unfasslichen Größe Gottes reden zu unsern kleinen Herzen.

Besondere Räume, besondere Zeiten. Die wir brauchen, um unsern Glauben zu spüren, zu pflegen.

Teresa sagt: Das braucht ihr alles nicht. Gott macht sich in unseren Kirchen, in unseren Gottesdiensten, in euren Meditationszeiten doch nicht verfügbar. Ihr müsst ihn im Alltag spüren können.

Aber warum dann überhaupt Kirchen, wenn Gott mit seiner Güte so groß und weit ist, wie der Himmel, sich nicht fassen lässt?

Diesen Zwiespalt drückt Salomo in seinem Gebet aus. Er hat Gott ein Haus gebaut, ein großes, teures. Aber Gott ist nicht in seinem Tempel zu Hause. Und trotzdem bittet Salomo Gott darin gegenwärtig zu sein.

Wo wohnt Gott? In der Kirche also nicht. Im Himmel? Auf Erden? Oder wenn er gar nicht wohnt – wo lässt er sich finden? Zwischen dem Hochwerfen und Auffangen eines Pfannkuchens?

Bleiben wir doch noch einen Moment in der Küche.

Ein schöner Pfannkuchen brutzelt in der Pfanne. Die obere Seite ist noch hell. Kurz wird das Backeisen hochgerissen. Mit einem Ruck löst sich der Pfannkuchen aus der Waagerechten. Im Schwung der Pfanne gleitet der Pfannkuchen vorne über den Pfannenrand hinaus, steigt in die Höhe. Nun befindet sich der ganze Pfannkuchen aufrecht, fliegt ein bisschen unstabil durch die Luft. Die obere Hälfte zieht es herum, wieder zur Pfanne. Er dreht sich ein halbes Mal um sich selbst. Die gebräunte Seite kommt nach oben. Der Pfannkuchen liegt waagerecht eine Handbreit über der Pfanne. Und Stopp!

Dies ist einer der Momente, Gott zu finden, wie Teresa sagt. Zwischen Aufsteigen und Niederfallen, im Scheitelpunkt einer Flugkurve. Plötzlich: Gott und ich. Ein Schwebezustand, wo Oben und Unten sich verkehren. In solchen kurzen Momenten wohnt der Ewige. In solchen profanen Momenten zeigt sich der Erhabene. Wie entdecke ich sie?

In meiner Küche erwarte ich Gott normalerweise nicht. Nicht im Straßenverkehr, auch nicht im Supermarkt oder im Büro. Eigentlich nie in meinem normalen Alltag. Und wenn er sich doch zeigen wollte, dann verpasse ich womöglich den Moment, den Schwebezustand zwischen Aufsteigen und Niederfallen. Wie werde ich auf Gott aufmerksam?

Zum Glück hat meine Seele Verbündete auch außerhalb der Kirchenmauern. Musik. Gemeinschaft. Natur. Die Berge besonders. Meine Verbündeten öffnen die Seele. Sie tun mir nicht selten Glaubenswege auf und zeigen: Gott ist gegenwärtig. In einem Akkord, in einer Begegnung, in der Schönheit seiner Schöpfung – immer wenn ich spüre diese wunderbare Welt ist kein Zufall. Dieses wunderbare, schöne, schwere Leben ist ein Geschenk. Plötzlich: Gott und ich.

Das kann passieren im Gondelschwung über einem Pfeiler. In einer Gänsehaut (wenn sie nicht von der Kälte kommt.) In der Vorfreude auf einen Geschmack. Im Wolkenspiel, das sich beständig verändert.

Ja, der Ewige ist größer als der Himmel, als der Weltraum. Er durchdringt Räume und Zeiten und steckt- oder versteckt sich? – nur kurz – im kleinsten Detail. Nicht länger als ein Pfannkuchen fliegt.

Pfannkuchen in der Luft zu wenden, ist eine Kunst. Das muss geübt sein. Wie viele arme Pfannkuchen bleiben an Küchenwänden und -schränken kleben. Oder landen zur Hälfte zerschmettert auf dem Fußboden. Da heißt es putzen. Wo bleibt da Teresas göttlicher Moment? Braucht man nicht doch den Abstand zur Arbeit, zur Welt, zum Tal um Gott zu begegnen?

Was hilft, ist Übung, um den Blick und das Gespür für Gott zu schärfen. Gott finden muss man üben wie das Pfannkuchenwenden in einer Küche. Denn Momente, wo Raum und Zeit durchlässig werden für Gottes Gegenwärtig sein, gehen vorüber.

Solche Übungen können tatsächlich in Kirchen sein, und Gottesdienste in ihnen, oder stille Kapellen am Wegrand, wo ich mir alte Gebete und Lieder zu Herzen nehmen. Wo ich tief eintauche, eine Mitte finde und sie in den Alltag mitnehme. Oder einfach nur aushalte, wofür es keine Worte gibt, und auch dem verborgenen Gott die Treue halte.

Das muss ich auch für den Alltag lernen: Gott lässt sich nicht fassen und ist doch in nächster Nähe zu spüren. Das will ich üben, damit ich Gott auch in meiner Küche finde.

Und platsch landet der Pfannkuchen in der Pfanne. Naja – heut gibt´s Kaiserschmarrn. Amen.

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