Gastfreunschaft

Gastfreunschaft

Berggottesdienst am 20. September 2023 am Berggasthof Laiter
Autor: Roland Sievers

Bibeltext:  Römer 12, 9-18

Wir sind Gottes Gäste. Dürfen bei ihm rasten. Wir lassen uns stärken und aufrichten durch ein gutes Wort von ihm, damit wir in seinem Namen einander gut sind und glücklich machen. Wie das geht, schreibt der Apostel Paulus an die Gemeinde in Rom.

Eure Liebe soll aufrichtig sein. Verabscheut das Böse und haltet am Guten fest. Liebt einander von Herzen als Brüder und Schwestern. Übertrefft euch gegenseitig an Wertschätzung. Lasst nicht nach in eurem Eifer. Lasst euch vom Geist anstecken und dient dem Herrn. Freut euch, dass ihr Hoffnung habt. Bleibt standhaft, wenn ihr leiden müsst. Hört nicht auf zu beten. Helft den Heiligen, wenn sie in Not sind. Seid jederzeit gastfreundlich. Segnet die Menschen, die euch verfolgen. Segnet sie und verflucht sie nicht. Freut euch mit den Fröhlichen. Weint mit den Weinenden. Seid alle miteinander auf Einigkeit aus. Werdet nicht überheblich, sondern lasst euch auf die Unbedeutenden ein. Baut nicht auf eure eigene Klugheit. Vergeltet Böses nicht mit Bösem. Habt anderen Menschen gegenüber nur Gutes im Sinn. Lebt mit allen Menschen in Frieden –soweit das möglich ist und es an euch liegt.

Predigt

Es ist angerichtet. Und wir müssen nichts dazu tun. Die Sonne lacht. Der Himmel bläut über uns. Es grünt und färbst sich allmählich in den Wäldern. Herrliches Augenfutter.

Das hat Gott angerichtet. Seit aller Tage Anfang. Und wir haben nichts dazu getan. Dass die Erde geworden ist. Dass wir geboren wurden. Gott hat sich mächtig ins Zeug gelegt. Er ist unser Gastgeber und wir sind seine Gäste. Reich beschenkt. Danke, lieber Gott.

Gott ist ein Gastfreund. Und er weiß auf vielfältigste Weise, seine Gäste zu beglücken. Die Fülle ist das eine. Wir brauchen Momente, in denen uns Augen, Ohren, Nasen, Münder über und unter die Haut gehen. Sie machen glücklich. Sie fördern unsere Glückshormone und die nähren unsere Seele.

Gott ist ein Gastfreund. Er weiß, dass für seine Gäste in kargen Zeiten schon ein Wort, eine Berührung, ein offenes Ohr, Zeit, ein Stück Brot, ein Schluck Wein die Fülle bedeuten kann. Mit der gleichen Wirkung, wie die große Fülle.

Manche seiner Gäste auf Erden haben verstanden, was es für gelebte Gastfreundschaft braucht.

Amerikas berühmteste Innendesignerin Dorothy Draper zum Beispiel konnte nicht nur Häuser in Traumhäuser verwandeln. Sie war die perfekte Gastgeberin. 1941 gab sie sogar einen Ratgeber heraus mit dem schönen Titel: „Entertaining is fun“ – „Einladen macht Freude“. Sie wusste genau, womit sie ihren Leitfaden beginnen musste. Nicht mit der Einkaufsliste, dem Farbschema der Tischdekoration oder der Zusammensetzung der idealen Gästeliste. Nein. Dorothy Draper widmet das erste Kapitel der weiblichen Psyche und räumt gleich auf den ersten Seiten alle Einwände aus dem Feld, die Frauen gern anführen, wenn sie meinen, keine Party geben zu können: kein Geld, zu wenig Platz, kein Personal, kein silbernes Teeservice. Dies alles seien fadenscheinige Entschuldigungen für ein selbstgewähltes Einsiedlerdasein und ein langweiliges Leben. Was man vielmehr brauche, wenn ein Fest gelingen solle, sei eine Gastgeberin, die ein paar schöne Stunden verbringen möchte. Oder ganz plastisch mit Dorothy Draper gesagt: „Deine Freude ist für deine Gäste so ansteckend wie die Masern.“
Als Grundvoraussetzung für glückliche Gäste galt für Dorothy Draper das ehrliche Interesse an den Gästen. Sie sagt: „Du kannst noch so genau sein, wenn es um Umgangsformen im Hinblick auf die Einladungen geht: wenn dies nicht aus einem inneren und herzlichen Interesse für andere kommt, dann wirst du niemanden davon überzeugen, dass deine guten Manieren nicht vielmehr sind als einfach nur gekünstelt.“

Gastfreundschaft erweisen heißt zu sagen: du bist mir recht, weil du mich bereicherst und das nicht, weil durch dein Kommen meine Kasse klingelt. Du bist mir recht: Egal wo du herkommst. Wie du sprichst. Du bist mir willkommen mit deinen Geschichten. Mit deiner Not. Mit deinem Glück. Wer so lebt, lebt in freudiger Erwartung. Der zählt dann auch nicht Zeit und Stunde. Und lernt damit zu leben, wenn die Grenzen zwischen Privatem und Beruflichem verschwimmen.

Bei Jesus war das auch so. Irgendwie habe ich das Gefühl, er ist nie privat. Immer unterwegs im göttlichen Auftrag. Die ihn kritisch betrachten, nennen ihn Fresser und Weinsäufer. Weil sie nur sehen, dass Jesus kein Kostverächter war und sogar Wasser in Wein verwandelt.

Auf der anderen Seite aber finde ich Vieles von Dorothy Drapers Einstellung bei Jesus wieder. Er hat ehrliches Interesse daran, dass es den Menschen auf Erden gut geht. Dieses Interesse ist das Lebensprogramm Jesu. Und so geht und kommt er immer wieder unter die Leute: Im Neuen Testament erzählen die Evangelisten mehrmals von solchen Begebenheiten.

Aussätzigen begehren nur den Saum von Jesu Kleidern berühren zu dürfen. Und sie werden daraufhin gesund.

Ich höre von Menschen, die Jesus eng umgeben, um ihn zu berühren. Als es jemandem gelingt, fragt Jesus zurück: Wer hat mich berührt? 

Ich lese von Maria am Grab, die den Auferstandenen fassen will, damit ihre Hoffnung leibhaftig wird.

Einer erzählt, wie Frauen vor dem Auferstandenen auf die Knie fallen und seine Füße umfassen.

Ich lese vom Thomas, der nur glaubt, was er sieht, und dem als Einziger der Griff in die Wundmale gestattet ist.

Und der römische Hauptmann in Kapernaum bittet Jesus: Sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund.

Ein Wort, ein Stück Brot, eine Berührung helfen zum Leben, stillen die Sehnsucht, heilen. So ist es immer noch. Eine Oberstdorfer Gästin erzählte mir von ihrem alten Chef. Als sie ihn nach langer Zeit mal wieder trifft, fragt er: „Darf ich Sie mal umarmen? Meine Frau ist seit drei Jahren tot und ich weiß nicht mehr wie das ist, einen Menschen zu fühlen.“

Selbst die Hautevolee der Gastgeberinnen in der Glamourliga weiß um das Wenige, das es braucht, um Menschen glücklich zu machen. Und sei es nur für einen Moment. Aber immerhin. Eine Elsa Maxwell sagte: „Alles Geld der Welt macht keine gute Party. Ich habe Feste gefeiert, als ich nur zwei Pennys hatte!“ Es geht also mit wenig.

Eine der angesagtesten Gastgeberinnen, die inzwischen 82jährige Isa von Hardenberg, würde uneingeschränkt zustimmen. Sie hat über Jahre hinweg Menschen zu kulturellen Veranstaltungen geladen und ihnen lediglich Pellkartoffeln mit Quark gereicht. Ein einfaches Mahl. Die Gastgeberin macht damit deutlich, dass es beim Mahl um mehr geht. Isa von Hardenberg sagt: Die Aufgabe einer guten Gastgeberin ist es, das Netzwerk ihrer Gäste zu erweitern. Und wie Dorothy Draper meint auch sie: Offenheit und ehrliches Interesse an Menschen ist wichtig. Generell sollte man 70% hören und nur 30% selbst reden.“

Vernetzung. Erweiterung des Netzes. In dem niemand gefangen wird. Sondern aufgefangen wird. In einem sozialen Netz. Darum ist es so wichtig, dass wir uns in Gottes Namen Gastfreundschaft gewähren. Wir brauchen einander, weil wir alle Gäste auf diesem Stern sind. Das verbindet dich und mich mit allen anderen. Auch mit denen, die nicht in einem Sozialstaat, in Freiheit und Verschiedenheit und vor allem in Sicherheit leben. Wer in unser Land kommt, weil er in seiner Heimat die nackte Angst ums Überleben hat und sich nun eine Zukunft in unserem Land erhofft, der soll hier von unserer Fülle abbekommen. Wir können uns das leisten. Wer in unserem Land kein Obdach hat, Hunger leidet und nicht weiß, wie das Geld bis zum Monatsende reichen soll, der braucht Tafeln, Kleiderkammern und ein freundliches Wort.

Mit einfachen Mitteln richten wir viel aus. Richten wir viele auf. Richten wir Beglückendes an. Mit viel Ohr und etwas Mund. Mit viel Herz und etwas Verstand. Mit viel Interesse, ehrlichem Interesse an den Menschen, die Gott uns vor die Füße legt. Dazu stärke und segne uns Gott. Amen

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