Namenstag

Namenstag

Predigt im Berggottesdienst am 23. Oktober 2024 auf dem Fellhorn

Text: 2. Samuel 22

Schön sind die Namen Gottes. David, Menschenkind und König von Gottes Gnade, weiß ein Lied davon zu singen. David sang das folgende Danklied, nachdem Gott ihn aus der Gewalt aller Feinde und auch aus der Hand von Saul befreit hatte:

Der Herr ist mein Fels, meine Festung und mein Erretter,
mein Gott, meine Zuflucht, mein sicherer Ort.

Er ist mein Schild, mein starker Helfer,
meine Burg auf unbezwingbarer Höhe.
Du, Gott, bewahrst mich vor den Angriffen meiner Feinde.

Gepriesen seist du, Herr!
Wenn ich zu dir um Hilfe rufe,
dann werde ich vor meinen Feinden gerettet.
Herr, du machst die Finsternis um mich hell,
du bist mein Licht.

Mit dir, mein Gott, kann ich über Mauern springen.
Was für ein Gott!

Gott allein ist meine Burg, in der ich Zuflucht finde.
Er ebnet mir meinen Weg.

Er beflügelt meine Schritte,
lässt mich laufen und springen wie ein Hirsch.
Selbst auf steilen Felsen gibt er mir festen Halt.

Er ist mein schützender Fels – ich preise ihn!
Ihn allein will ich rühmen,
denn er ist mein Gott, mein Fels, bei dem ich Rettung fand.

Darum will ich dich loben, Herr.
Alle Völker sollen es hören!
Deinen Namen will ich preisen mit meinem Lied.

Du hast deinen auserwählten König aus großen Gefahren errettet.
Ja, du erweist mir, David, deine Liebe,
und auch meine Nachkommen dürfen für alle Zeit darauf zählen.

Predigt

Ich liebe Tage, an denen ich das Leben feiern kann. Ich habe zum Beispiel gern Geburtstag. Klingt kindisch, ist aber so. Das Wetter für den Tag ist eigentlich wurscht. Es fühlt sich besonders an, Geburtstag zu haben. Ein bisschen heilig, weil vor so und so viel Jahren ich das Licht der Welt erblickt habe. Ich finde das immer noch ziemlich cool, ein Leben geschenkt bekommen zu haben. Einfach so. Ohne dass ich irgendwas dazu tun muss. Nur leben. Losgehen. Entdecken. Freuen.

Einer dieser Geburtstage war besonders. Ich war Kind, ich glaube noch im einstelligen Bereich. Wir machten Urlaub in Patschins in der Nähe von Meran. Ich wurde reich beschenkt. Das Wetter war mir an diesem Tag wurscht. Es zählten nur Geschenke. Ich frage mich inzwischen, da ich älter bin, wie meine Eltern es eigentlich fertig gebracht haben, samt aller Urlaubsutensilien auch noch eine Eisenbahn mit Schienen und Zug mitzunehmen. Mit der Bahn. Ich verlegte die Schienen im Hotelzimmer. Freute mich an meiner Strecke als Lokführer, Weichensteller und Fahrgast in einer Person. Der Zug entgleiste. Nicht einfach so. Die Reinigungskraft rechnete ebenso wenig mit Zugverkehr im Zimmer wie ich mit weiteren Gästen auf meiner Geburtstagsparty. Wir schauten uns entgeistert an. Bis sie mich anlächelte und meinte: Oh, Namenstag! Und ich schaute immernoch entgeistert, weil ich nicht wusste, was ein Namenstag ist. Ich meinte nur: Nee, Geburtstag! Und sie verschwand mit einem Herzlichen Glückwunsch und viel Spaß noch.

Ich liebe Tage, an denen ich das Leben feiern kann. Wenn ich meinen Geburtstag und meine Namenstage im Jahr zusammenzähle, dann könnte ich vier Mal feiern. 3 Namenstage gibt es für Roland, je nach dem, auf welchen Heiligen als Namenspatron ich mich berufe. Ich feiere meinen Namenstag nicht. Mit ist diese Tradition nicht in die evangelische Wiege gelegt. Mein Wiegenfest als Feiertag genügt. Aber so an sich ist der Namenstag eine schöne Erfindung. Er sagt mir: du bist nicht irgendwer, auch keine Nummer. Und es gibt einen, der hatte vor dir deinen Namen und der ist vielen Menschen zu einem Glaubensvorbild geworden. Eine, an der man sich aufrichten kann. 

Heute hat zum Beispiel Uta Namenstag, oder Ute oder Oda. Ist eine da?
Wie schaut es den mit Severin oder Sören aus?
Bei Bertrand müssten wir schon Glück haben!
Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass ein Johannes unter uns oder jemand einen Namen trägt, der auf Johannes zurückgeht: Hans, Hannes, Jens, Jan, Johann, Hanno!

Ich bin froh, dass du und ich Namen haben. Ich finde es schön, mit meinem Namen angeredet zu werden. Ich freue mich darüber, wenn mein Name auch noch richtig geschrieben wird. Da war jemand sorgfältig. Und zeigt mir: du bis mir wichtig.

Wir geben einander Namen. Unseren Haustieren auch. Auch Fahrräder und Autos bekommen Namen. Sie drücken eine enge Verbindung aus, so eng, dass man Fellknäuel, Drahtesel oder Gefährte kosen könnte.

Wir geben Namen. Fischen, Blumen, Bergen. Damit wir uns verständlich machen können. Wir brauchen nicht „Das da“ zu sagen. „Oder schau mal, der Fels dort hinten rechts vor dem mit den Zacken!“ Nur einig muss man sich sein in der Bezeichnung, sonst wird´s chaotisch. Deutsche und Österreicher sind sich nicht immer einig. Sie sind einander zu nah. Bis 2013 hieß auf österreichischer Seite der erste Gipfel eines Massivs der erste Schüsser und der zweite Hammerspitze, auf deutscher Seite dagegen war es umgekehrt. Da soll sich einer auskennen. Und ausgerechnet dem Allgäuer Kommissar Kluftinger wurde das bei der Verbrecherjagd zum Verhängnis. Seit gut zehn Jahren ist´s eindeutig: Die offizielle Namensgebung: Walser Hammerspitze und Oberstdorfer Hammerspitze.

Es gibt Menschen, die wünschen sich nichts sehnlicher, als dass sie auch den unsichtbaren Dingen, Kräften oder Mächten Namen geben könnten. Das gibt ihnen Sicherheit. Sie können sich orientieren. Aber die unsichtbare Welt macht da nicht mit. Sie lässt sich nicht auf einen Namen festlegen, geschweige denn überhaupt von einem Menschenkind benennen. Und wenn das geschieht, kann es auch gefährlich werden. Harry Potter kann ein Lied davon singen. Der „Du weißt schon wer“ oder auch „Der, dessen Namen man sagen darf“ bestraft mit dem Tode, wenn jemand seinen Namen ausspricht.

Schaut: in acht Wochen ist Weihnachten. Und spätestens in vier Wochen beginnt in den Theatern von Hamburg bis München wieder die Saison der Weihnachtsmärchen. Die haben allesamt kaum etwas mit dem zu tun, was wir an Weihnachten feiern. Aber sie erzählen vom Geheimnis des Lebens, von der Sehnsucht, dass das Gute in die Welt kommt und bösen Taten wie finsteren Herzen den Kehraus macht. Das hat dann schon was mit Weihnachten zu tun.

Eines dieser Märchen ist das von einem Müller und seiner Tochter. Der Müller ist geschäftstüchtig und möchte die Tochter an den König verheiraten. Dafür erzählt er dem König, dass seine Tochter Stroh zu Gold spinnen könne. Das kann der König nicht so recht glauben. Er möchte es mit seinen eigenen Augen sehen. Er sperrt die Müllerstochter in eine Kammer voll Stroh ein. Sie soll daraus Gold machen. Was sie nicht kann.

Es folgen einige Nächte, in denen ihr ein kleines Männlein hilft. Nicht für lau, natürlich. Für die Halskette, den Ring und auch das erste Kind der Frau. Der Geschäftsplan des Vaters geht auf. Die Tochter wird Königin, bekommt ihr erstes Kind und will es nicht hergeben. Das Männlein lässt sich auf einen Deal ein: Wenn die Königin es schafft, in drei Tagen seinen Namen heraus zu finden, darf sie ihr Kind behalten. Schafft sie es nicht, muss sie es wie vereinbart dem Männchen übergeben.

Dumm nur, dass das Männlein, siegessicher vor sich plappert und dabei belauscht wird: „Ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß.“

Daraufhin trägt die Königin dem Männchen am dritten Tage diesen Namen vor. Und sie hat Recht! Rumpelstilzchen wird so wütend, dass es sich selbst zerreißt. Das Geheimnis ist dem Männlein genommen. Alle Kraft weicht aus ihm. Schade eigentlich.

Ich bin so froh, dass mein Gott nicht zerplatzt und kraftlos wird, wenn ich ihn mit Namen rufe. Seit alters her rufen ihn die Menschen so, wie sie ihn erleben. David wählt in seinem Danklied für die erfahrene Rettung Gott nicht bei einem menschlichen Namen. Auch nicht Vater oder König. Er nennt ihn Fels und Burg, und Hort und Schild und Licht und Berg. Das alles und noch viel mehr ist Gott für David. Und trotz der vielen Namen geht es immer nur um diesen einen Gott. Ich finde es ebenso schön, Gott mit Personenbildern zu belegen. Die Bibel und auch viele Gesangbuchtexte strotzen nur davon. Sie müssen nicht meine Bilder von Gott sein, aber ich weiß, was gemeint ist, kann erahnen, welche Erfahrung ein Mensch gemacht hat, der Gott anredet als Mutter oder Vater, Braut oder Richter. Noch viel lieber als diese Namen habe ich solche, die meiner Phantasie mehr Raum lassen. Denn mir geht es meistens so, wenn ich einen Namen für Gott finde oder erfinde, dass dieser Name wie ein Prisma wird und wieder neue Farben, wieder neue Lieder, wieder neue Namen hervorruft. Ich nenne Gott Nacht oder Brunnen, Morgenglanz oder Sonne oder Abgrund, Liebesstifter oder Ursprung. Ich nenne Gott Mann und Frau, Königin und Herrscher, Himmelsmacht und Kindsgemüt. Und ich weiß: ich eile mit jedem dieser Namen nur auf ihn zu. Mit jedem Namen, den ich Gott gebe, nähere ich mich ihm an und erreiche ihn nicht.

Aber ich glaube, Gott erreicht mich. Mein Name ist wie deiner im Himmel geschrieben. Hat Jesus gesagt und der muss es wissen. Es ist, als wenn ich den Saum von Gottes Fülle taste. Und das ist viel. Das macht mich so reich. Das mehrt meinen Glauben an einen Gott, der sein Versprechen bis auf den heutigen Tag hält. Dem Mose hatte er einst seinen Namen offenbart: Ich werde sein, der ich sein werde. Mit diesem Gott ist alles möglich und die Zahl seiner Namen bleibt ein Geheimnis. Das vereint mich mit den Gläubigen im Islam, die die 99 schönen Namen Gottes kennen, nur der Hundertste bleibt ihrem Wissen versagt. 

Ihr Lieben: ich finde, mit Gott ist jeder Tag Namenstag. Jeden Tag kann ich Gott schauen und Gott einen neuen Namen geben. Heute nenne ich dich Sonne. In zwei Monaten Kind. Im Winter nenne ich Gott Schnee. Mein Leben lang Atem. Mein Ausgang. Mein Friede. Und Gott weiß, werde ich in einer Zeit außerhalb meiner Lebenszeit Gottes Fülle schauen und mich eine Ewigkeit lang an den schönen Namen Gottes freuen. So sei es. Amen.

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