Ferdinand Hodler: Das mutige Weib
Bilderkundung
Kräftiger Körperbau. Muskulöse Oberarme. Das mutige Weib in diesem Boot hat eigentlich den Körper eines Mannes. Spötter würden von einem Mannweib sprechen.
Mit einer energischen Bewegung holt die Frau aus. Sie stemmt sich den Wellen entgegen. ►Die Augen sind weit aufgerissen. Ihre Gesichtszüge wirken ernst. Dass das Wasser schon ins Boot schwappt, scheint für sie kein Grund zur Panik. Sie scheint sich auszukennen mit den stürmischen Verhältnissen. Sie weiß, was sie tut.
Die Nussschale wirkt merkwürdig verdreht. Ins Heck schauen wir fast gerade von oben hinein, so sehr hat das Boot Schlagseite. Der Bug liegt dagegen eher gerade im Wasser.
Das mutige Weib. Mut ist eher ein Männerthema. Doch bei Ferdinand Hodler ist es eine Frau, die es mit den Naturgewalten aufnimmt.
Entstanden ist das Bild in Zusammenhang mit einem Figurenbild, das Hodler für einen Wettbewerb in Genf malte. Es zeigte eine Gruppe von mehreren Personen in einer Barke, die auf offener See von einem Gewitter überrascht werden und gegen die Wellen ankämpfen. Dieses Wettbewerbsthema hat Hodler dann im Nachhinein noch einmal mit der einzelnen Person des mutigen Weibes aufgenommen. Das Bild bekommt dadurch nochmal eine dramatische Verstärkung. Während sich mehrere Personen helfen können, das Gewicht verlagern, sich abwechseln beim Rudern, ist die eine Person ganz auf sich allein gestellt. ►Sie kann gar nicht anders als sich den Wogen zu stellen, den Kampf anzunehmen, wenn sie nicht kentern will. Sie ist in Todesgefahr. Sie bietet dem Tod die Stirn. Das mutige Weib tut das, was Ferdinand Hodler zeit seines Lebens tut. Dem Tod die Stirn bieten. Mit dem Tod umgehen. So oft, wie er das tun muss, ist er ein erfahrener Ruderer zwischen den tödlichen Wogen.
Es wundert mich nicht, das Hodler nicht irgendein mutiges Weib malt, sondern jemanden, der ihm das Leben bedeutet. Seine Geliebte und langjährige Gefährtin Augustine Dupin. ►Sie stand Hodler oft als Modell zur Verfügung. Für eine besonders lebensnahe Darstellung soll Hodler Augustine am den Rand eines Daches in großer Höhe gesetzt haben. Laut Augenzeugen soll das zu lautstarken Protesten in der Nachbarschaft geführt haben. Hodler wollte so den Ausdruck der Angst auf ihrem Gesicht studieren. Lebenskampf und Tapferkeit waren mit Sicherheit die prägenden Themen im Leben des jungen Malers.
Als mutiges Weib malt Hodler Augustine wie eine bewegte Skulptur. ►Die kraftstrotzende Frau wird zum Sinnbild für eine vitale Frau mit großem Durchhaltevermögen. Das Licht kommt ins Bild so, dass Körperformen, Arme und Beine äußerst plastisch hervortreten. Jedes Detail ist zu sehen. Die Gewandfalten des Rockes. Die Bluse, die unter der körperlichen Anstrengung zu platzen droht. Die wehenden Haarsträhnen im Wind.
Ein Markenzeichen des Schweizers. Bereits in diesem frühen Bild zeigt sich Hodlers ausgeprägtes Interesse für Form und Umriss. ►Ein Gemälde von 1908 zeigt einen weiblichen stehenden Rückenakt. Er trägt den bezeichnenden Titel „Linienherrlichkeit. ►Die Figur der rudernden Frau wirkt noch eher derb und kraftstrotzend. Daneben die nackte Frau, die mit ihrer tänzelnden Leichtigkeit auf ganz andere Weise Lebendigkeit ausdrückt. So oder so kann das Leben sein. Hodler kennt beide Lebensweisen. ►
Interpretation
Das mutige Weib. Es ist ganz im Moment festgehalten. Hodler zeigt uns nicht, woher sie kommt und wohin sie steuert. Es ist kein Land in Sicht. Hodler malt einen Menschen im Moment. Er vermittelt: Das Leben findet jetzt statt. Das Leben ist die Gegenwart. Gerade weil das Leben vergänglich ist, weil es immer wieder gefährdet ist, ruft der Maler dazu auf, den vitalen Moment zu schätzen. Zu sehen, wie kraftvoll ein Mensch ist. Was er leisten kann. Wie er über seine Kräfte hinauswachsen kann. Hodler zeigt uns das Leben, weil er auch den Moment des Todes kennt. Nicht nur aus seiner jüngsten Lebensphase.
Hodler dokumentiert auch den körperlichen Verfall und das Sterben seiner kranken Geliebten Valentine Godé-Darel. Man sieht, wie Siechtum und Verfall Gesicht und Körper der Geliebten zeichnen, die dem 20 Jahre Älteren gerade erst ein Kind geboren hatte. Monatelang quält sich die Kranke dem Tod entgegen. Und Hodler sitzt daneben als künstlerischer Sterbebegleiter.
Das Leben findet in der Gegenwart statt. Hodler sagt: „Man hat nur dieses eine Leben. Das verwandelt den Todesgedanken in eine gewaltige Kraft.“ Diese Kraft zeigt sich auch in der Art des mutigen Weibes, das im Ruderboot ums Überleben kämpft. Weil das Leben vergänglich ist, ist es auch so kostbar. Können wir ungeheure Kräfte mobilisieren.
„Man hat nur dieses eine Leben.“ Man lebt es selber. Solange man handlungsfähig ist. Das Ruder noch anschlägt. Das mutige Weib ermutigt mich, das Leben im Moment wertzuschätzen. Ohne Blick zurück. Ohne Blick nach vorn. Das mutige Weib ermutigt mich, dass ich mich meiner Kräfte besinne, die in mir stecken, gerade wenn ich auf mich allein gestellt bin. Dass ich auch lerne selber die Verantwortung für mein Leben in die Hand zu nehmen und mich nicht nur auf andere zu verlassen. Mich auch nicht von ihnen leben lasse.
Die Jünger Jesu zum Beispiel haben sich im Sturm auf dem See Genezareth ganz auf Jesus verlassen. Und wären beinahe gekentert. Sie haben kein Vertrauen in ihre eigenen Fischertugenden, die eigentlich in einem Sturm hätten zur Geltung kommen müssen. Sie haben auch kein Vertrauen in den Kapitän Jesus, der gelassen schlummert. Aber wenn niemand etwas tut, wenn keiner Vertrauen in sich und in andere hat, dann ist das Boot dem Untergang geweiht. Dann ist das Leben in höchster Gefahr.
Hodler fragt uns Betrachtende mit dem mutigen Weib: hast du das Ruder deines Lebens in der Hand? Im seichten Gewässer und auch bei Sturm? Worauf setzt du dein Vertrauen, dass du getrost und zuversichtlich lebst?
Wie auch immer meine Antwort ausfällt. Aus der Bibel wird Gottes Wunsch hörbar, dass wir bei ihm festmachen, dass er der Grund ist, auf den wir unseren Anker werfen. Gott spricht mir ins Herz für alle heiteren und stürmischen Tage:
Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!
Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, und wenn du durch Ströme gehst, sollen sie dich nicht ersäufen. Wenn du ins Feuer gehst, wirst du nicht brennen, und die Flamme wird dich nicht versengen.
Denn ich bin der HERR, dein Gott, der Heilige Israels, dein Heiland. Weil du teuer bist in meinen Augen und herrlich und weil ich dich lieb habe.
Das mutige Weib. Ich möchte ihnen noch von einem mutigen Weib erzählen. Keine Frau in der Bibel. Keine Reformatorin. Eine Frau aus der Gegenwart. Lebensfroh. Voller Energie. Voller Träume. Als Kind und Jugendliche war sie stets mit ihrem Vater zum Rudern gegangen. Auch noch als ihre Schwestern viel lieber hübschen Jünglingen um die Häuser zogen.
„Es war mein sehnlichster Wunsch, seit ich ganz klein war“, sagte die zweifache Mutter. Sie wollte ihrem Vater nacheifern, der als Gondoliere eines der typischen venezianischen schlanken Boote durch die Lagunenstadt Venedig steuert. Der Berufsstand der Gondolieri zählt nur rund 400 Mitglieder. Seit fast 1000 Jahren wurde er ausschließlich von Männern besetzt.
Und dann wagt es das mutige Weib Giorgia Boscolo in die Männerdomäne einzudringen. Sie besteht locker die Aufnahmeprüfung. Steht täglich mehrere Stunden am Ruder ihrer Gondel, um die komplizierten Manöver in den engen Kanälen zu erlernen. Sie meistert die anderthalbjährige Ausbildung. Wird in den Berufsstand der Ente Gondola aufgenommen.
„Es ist ein wenig anstrengend“, räumt Giorgia ein. Allerdings wüssten die erfahrenen Gondolieri ein paar geheime Tricks, um die Arbeit zu erleichtern.
Von den männlichen Kollegen wird die Aufnahme der jungen blonden Frau mit gemischten Gefühlen verfolgt, die meisten wollen sich allerdings gar nicht äußern. Der 35-jährige Alvise sagte, er finde Gefallen an dem Gedanken, dass es auch eine Frau in den ehrwürdigen Berufsstand schaffe.
Sein Kollege Nino wies darauf hin, dass es „körperlich belastend“ sei, die Gondel zu steuern – „vor allem bei starkem Wind“.
Ob es nur die körperlichen Fähigkeiten der Frau sind, die die ihrem Dienst als erste Gondoliera entgegenstehen? Oder auch der Wunsch der Männer unter sich zu bleiben? Oder gar die Angst, dass noch mehr Frauen mutig werden und dem Vorbild von Giorgia Boscolo folgen? Und daraus folgend die Horrorvorstellung, dass die Frauen das einträgliche Geschäft kaputt machen? Immerhin kommen jedes Jahr mehr als 15 Millionen Touristen nach Venedig. Obwohl eine einstündige Fahrt mit einer Gondel bei 120 Euro liegt, gehört es für viele Besucher Venedigs dazu, eine Gondel zu mieten.
Giorgia Boscolo fürchtet all diese Bedenkenträger nicht. Ihre Freude, ihr traumerfülltes Leben verleihen ihr die nötigen Kräfte.
Lied: Evangelisches Gesangbuch (Bayern) 630 Fürchte dich nicht
- Fürchte dich nicht,
gefangen in deiner Angst,
mit der du lebst.
Fürchte dich nicht,
gefangen in deiner Angst.
Mit ihr lebst du. - Fürchte dich nicht,
getragen von seinem Wort,
von dem du lebst.
Fürchte dich nicht,
getragen von seinem Wort.
Von ihm lebst du. - Fürchte dich nicht,
gesandt in den neuen Tag,
für den du lebst.
Fürchte dich nicht,
gesandt in den neuen Tag.
Für ihn lebst du.
Vaterunser
Vater unser im Himmel. Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute, und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Segen
Gott sagt:
In das Dunkel deiner Vergangenheit und in das Ungewisse deiner Zukunft,
in den Segen deines Helfens und in das Elend deiner Ohnmacht lege ich meine Zusage:
ICH BIN DA.
In die Fülle deiner Aufgaben und in die Leere deiner Geschäftigkeit,
In die Vielzahl deiner Fähigkeiten und in die Grenzen deiner Begabung lege ich meine Zusage:
ICH BIN DA.
In das Gelingen deiner Gespräche und in die Stille deines Betens,
In die Freude deines Erfolges und in den Schmerz deines Versagens lege ich meine Zusage:
ICH BIN DA.
Der „ich bin da“ segne dich heute und alle deine Tage. Amen.